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Clara’s Geschichte

Ein Lebensweg – Versuch einer Beschreibung

18.10.2000 Hurra, da ist sie! Clara, 54 cm groß, 4220 g schwer, kräftig und augenscheinlich völlig gesund. Sie macht sich umgehend daran, unseren ersten Eindruck von ihr zu bestätigen und entwickelt sich prächtig.

Sie ist so gut wie nie erkältet, läuft bereits mit 11 Monaten und spricht zwei, drei Worte vor dem 1. Geburtstag. Mit 15 Monaten geht sie frei die Treppe hoch, mit 18 Monaten erklettert sie die Leiter zum Dachboden.

Allerdings - die Sprache entwickelt sich im 2. Lebensjahr nicht wie anfänglich angedeutet weiter. Es kommen kaum neue Worte hinzu, sie spricht keine Worte nach, benutzt die gekonnten nur beschreibend, ohne Wünsche auszudrücken, manchmal spricht sie spontan auch sehr schwierige Worte korrekt aus – aber nur einmal, dann scheinen sie wieder vergessen zu sein. Auch der passive Wortschatz ist eingeschränkt, manchmal scheint sie zu verstehen, manchmal nicht.

Mit 1¾ auf dem Sommerfest des Kindergartens, den die Zwillinge besuchen, probiert sie erstmalig und recht erfolgreich, mit einem Roller zu fahren. Drei Monate später an ihrem 2. Geburtstag erhält sie einen Roller als Geschenk, hantiert mit ihm aber merkwürdig ungeschickt.
Gleichzeitig fällt etwa zu dieser Zeit auf, dass sie erst ab und an, dann zunehmend auf dem rechten Auge schielt. Außerdem reagiert sie mit Verzögerung, wenn ihr Vater abends von der Arbeit kommt und am Ende des Flures steht. Erst viel später wird mir klar, dass ihre Sichtweite schon damals eingeschränkt gewesen sein muss.

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Mit ihrem 2. Geburtstag im Oktober 2002 bleibt ihre Entwicklung buchstäblich stehen, dann gibt es erste Rückschritte.

November 2002 auf der Beerdigung der Urgroßmutter stolpert sie ständig über die eigenen Füße und fällt des Öfteren hin. Wir versuchen, nicht mehr recht überzeugt, es auf die neuen, erstmalig getragenen Schuhe zu schieben.

Anfang 2003 gehe ich erstmals mit ihr zum Kinderturnen. Sie reagiert in der großen Halle völlig panisch. Wir tasten uns über Wochen hin buchstäblich an den Wänden entlang, bis sie sich traut frei im Raum zu laufen. Bin ich 6, 7 m entfernt, erkennt sie mich nicht mehr. Im Vergleich mit den anderen gleichaltrigen Kindern, die in diesem Alter einen deutlichen Entwicklungssprung machen, ist sie mittlerweile deutlich zurück. Sie kann keine Bank hoch laufen oder krabbeln, ohne zwischendurch die Konzentration zu verlieren und seitlich abzurutschen, geschweige von einer Kiste springen oder schnell rennen.

Außerdem scheint ihre Kondition nachzulassen, lief sie mit 1 ½ den Weg zum o.g. Kindergarten problemlos, so fällt es ihr Anfang 2003 immer schwerer. Sie ist zu blass, wirkt insgesamt verunsichert und traurig, scheint sich zurück- zuziehen, ohne dass wir einen äußeren Anlass dafür ausmachen können.
Wird sie angesprochen, reagiert sie zunehmend zurückhaltend, wendet sich ab oder reagiert mit Rückzug zur Mutter. Fast scheint es, als würde sie auch die Geschwister und den Vater nach der Arbeit nicht eindeutig erkennen. Sie wirkt häufig sehr verträumt und steht teilweise in einer merkwürdigen pinguinähnlichen Haltung: Oberkörper vorgebeugt, die Arme seitlich wie Flügel abgespreizt.

Der Weg durch die „Instanzen“ beginnt…

März 2003: Die Hörberatungsstelle bescheinigt ihr ein vorzügliches Gehör.

März 2003 bekommt sie eine Brille, rechts 2,5, links 1,5 Dioptrien. Die Augenärztin beruhigt uns, das Schielen würde sich mit großer Wahrscheinlichkeit wieder zurückbilden.

Ebenfalls im März besuchen wir die Großeltern in Niedersachsen. Als die schlafende Clara aus dem Auto genommen wird, beginnt sie nach dem Aufwachen an Armen und Beinen heftig zu zucken, ist aber ansprechbar und beruhigt sich nach einigen Minuten. Gleiches passiert wenige Wochen später, wieder nach dem Wecken.

Mai 2003 bescheinigt der Kinderkardiologe ihr völlige Herzgesundheit, also weiterhin kein Grund für die zunehmende körperliche Schwäche, jetzt auch mit gehäuften Infekten.

Mai 2003 wird sie in einem sozialpädiatrischen Zentrum vorgestellt. Während der ganzen Untersuchung nimmt sie nicht einmal Blickkontakt zum Arzt auf. Man bescheinigt ihr eine Entwicklungsretardierung in allen Bereichen, speziell im Bereich der Sprache und Kommunikation, mit Ähnlichkeit zum frühkindlichen Autismus. Ein angeschlossenes EEG ist bereits „abnorm wegen einer zeitweise auftretenden monomorphen langsamen 4-5/sec Theta-Rhytmisierung“, aber noch kein definitiver Hinweis auf eine Epilepsie. Neurometabolische Stoffwechsel-Basisdiagnostik und molekulargenetische Untersuchung sind für September 2003 vorgesehen.

Im Juni 2003 bekommt Clara hohes Fieber, zehn Tage lang, immer an die 40 Grad Celsius, weder Antibiotikum noch fiebersenkende Mittel wirken längerfristig. Clara ist völlig schlapp und zittrig, fast apathisch. Letztendlich versuche ich es mit Homöopathie. 24 Stunden später ist das Fieber deutlich gesunken, einen Tag später ganz weg.
In der darauf folgenden Woche macht Clara einen Entwicklungssprung ohnegleichen. Sie scheint alles Versäumte in einer Woche aufholen zu wollen.

Dann fällt sie das erste Mal ohne jeden Anlass in der Küche rücklings und ungebremst zu Boden. Anschließend knicken ihr immer öfter die Knie ein.
Also zum Kinderarzt, der verweist umgehend an einen bei vermuteter Epilepsie kompetenteren Kollegen. Dieser sorgt nach einem EEG für die zügige Einweisung Claras in die Charite.

Anfang Juli 2003 komme ich mit einem Kind, das die Krankenhausgänge auf und ab rennt in das Krankenhaus und zwei Tage später nach Augenuntersuchung, Ultraschall, Blutabnahmen, MRT, Lumbalpunktion, Schlafentzugs-EEG und zwei durchwachten Nächten mit einem Kind wieder heraus, das tagelang keinen Schritt mehr allein laufen kann. Die Beine sacken ständig weg. Es bleibt damals unklar, ob dies eine Reaktion auf den Stress oder eine Unverträglichkeitsreaktion auf ein zur Sedierung gegebenes Mittel ist.

Mitte August 2003 folgt ein Brief, in dem um eine weitere Blutabnahme zur Untersuchung in Hamburg gebeten wird, da durch im Blut gefundene kurvilineare Körperchen der begründete Verdacht auf eine spätinfantile Ceroidlipofuszinose besteht.

Dank Internet weiß ich wenige Stunden später mehr.
Im September 2003 folgt die offizielle Eröffnung der Diagnose im Krankenhaus.

Eine knappe Woche später fahren mein Mann und ich zum Jahrestreffen der deutschen Selbsthilfegruppe und finden dort nicht nur liebevolle Aufnahme und Informationen, sondern sehen auch Kinder mit derselben Diagnose im weiter fortgeschrittenen Stadium – etwas völlig anders, als nur über diese Krankheit zu lesen. (Nicht nur diese) drei Tage kämpfen wir, nicht immer erfolgreich, mit dem Schmerz und den Tränen.
Von dem anwesenden Prof. Kohlschütter, einem Experten auf dem Gebiet dieser Erkrankung, kann zu diesem Zeitpunkt keinerlei Hoffnung auf ein Stoppen der Erkrankung oder gar auf eine Heilung in der nahen Zukunft gemacht werden.

Mittlerweile fällt Clara nicht mehr in Wochenabständen, sondern praktisch mehrfach täglich aus geringstem Anlass heraus. Teilweise ohne erkennbaren Grund stolpert sie, kann sich nicht halten, fällt und zuckt mehrfach mit Armen und Beinen. Die Arme gehorchen ihr dabei teilweise nicht mehr, sie kann sich dann nicht abstützen und wieder aufstehen. Sie läuft fast nur noch an der Hand.

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Oktober 2003beginnt die Eingewöhnung im neuen Kindergarten. Clara hat mit der fremden Umgebung und insbesondere den fremden Personen sehr große Probleme. Es dauert viele Wochen, bis ich sie mit halbwegs gutem Gewissen dort lassen kann und einigermaßen sicher bin, dass sie nicht nur weint. Trotz der überdurchschnittlich engagierten Erzieherin bin ich mehrfach kurz davor aufzugeben, da die Stunden im Kindergarten Clara zweifellos massiv belasten. Und jegliche Form von Stress scheint zu einem weiteren, schnelleren Abbau ihrer Fähigkeiten zu führen.

Im Urlaub in Österreich in den Herbstferien, Oktober 2003, geht Clara erstmalig wieder und zugleich das letzte Mal völlig frei. Nach drei Tagen im Kindergarten ist sie wieder zurück beim Krabbeln.

Mittlerweile läuft - sich endlos hinziehend - die Einstellung mit dem Antiepileptikum Lamictal. Clara zeigt zunächst so ziemlich alles an Nebenwirkungen, was der Beipackzettel hergibt. Zudem wird sie schon gut zwei Stunden vor der nächsten Gabe, ebenso etwa eine Stunde nach der nächsten Gabe zittrig.

Mitte Dezember 2003, bei einer Tagesdosis von 25 mg, hat sie den ersten Grand-Mal–Anfall. Ich bin mit ihr beim Einkaufen, als sie aus heiterem Himmel panisch zu schreien anfängt, sich nicht mehr beruhigen lässt und schließlich das typische Zucken und Steifwerden ohne Bewusstsein zeigt. Der gerufene Notarztwagen kommt erst, als der Anfall nach 3 oder 4 Minuten vorbei ist und Clara auf meinem Arm tief schläft.

Der zweite Anfall kommt aus dem Schlaf heraus Neujahrmorgen 2004, der dritte folgt wieder zwei Wochen später Mitte Januar 2004. Clara fällt körperlich und motorisch durch die großen Anfälle deutlich ab, ist schlaff und macht keine Schritte mehr.

Wieder zwei Wochen später bin ich mit Clara im Auto unterwegs, als sie erneut anfängt zu schreien. Ich renne um den Wagen zur seitlichen Schiebetür, nehme Clara fest in den Arm, rede beruhigend auf sie ein und versuche, sie zum Trinken aus der Flasche zu bewegen – und welch Wunder, der Anfall bricht ab, es folgt kein Zucken. Sie trinkt, isst einen Keks und das war es. In den folgenden Wochen setzt sie noch zwei, drei Mal zum Schreien an, jedes Mal bricht der Anfall ab, sobald ich ihre Aufmerksamkeit halten und sie zum Trinken bewegen kann.

Nach den Grand-Mal-Anfällen entwickelt Clara - bis dahin mit hervorragenden Zähnen – in kürzester Zeit eine massive und zunächst unerkannte Karies. In deren Folge entzündet sich ein Backenzahn, wodurch sie noch weiter abbaut.

Verzweifelt nehme ich im Februar 2004 Kontakt zu Frau Prof. Boustany in den USA auf, die festgestellt hat, dass der Wirkstoff Flupirtin zumindest an Zellen im Reagenzglas den Zelltod, die Apoptose, verhindert. Es gibt keine Versuche an Tieren oder offizielle Studien mit betroffenen Kindern, aber das Mittel wird offenbar ohne signifikante Nebenwirkungen von etlichen betroffenen Kindern in den USA genommen und soll den Verlauf der Krankheit zumindest verlangsamen. Prof. Boustany antwortet umgehend mit Angabe der möglichen Dosierung. Der Kinderarzt erklärt sich bereit, einen Versuch zu wagen.
Mangels Alternativen beginnen wir voller Hoffnung, Clara das Medikament zu geben. Gleichzeitig wird das Lamictal herunterdosiert.

In den ersten Wochen gibt eine positive Entwicklung. Clara ist aufnahmefähiger, reagiert deutlich besser auf Ansprache, registriert wieder Gegenstände wie Lichtschalter und Türklinken und beginnt nach gut fünf Wochen wieder Schritte zu machen. Im Folgenden lässt die Wirkung nach, besonders nach der empfohlenen Umstellung auf eine etwas geringere, aber dreimalige Dosis täglich. Das Lamictal wird dagegen nach der Umstellung auf drei Mal täglich deutlich besser vertragen.

Als einzige dauerhafte Veränderung ist sie seitdem nach wie vor zunehmend besser ansprechbar und reagiert in der Regel freudig auf Versuche der Kontaktaufnahme, auch durch familienfremde Personen.

Ebenfalls im Februar 2004 stoße ich auf die Website von Phil Milto, dem Vater von zwei Söhnen mit NCL 2 (www.nathansbattle.com), und erfahre dort von der ersten tatsächlich greifbaren Möglichkeit Clara´s Krankheit ursächlich zu behandeln. Die Vorstudien für eine Gentransfertherapie sind erfolgreich abgeschlossen, die Genehmigung für eine erste Studie an betroffenen Kindern steht unmittelbar bevor! Nach der sofortigen Kontaktaufnahme mit Phil Milto, der erklärt, dass die Teilnahme an der Gentransferstudie weltweit möglich ist, wird Clara von ihm auf die Warteliste gesetzt.

Die Auswahl der Kinder von dieser Liste erfolgt ausschließlich durch das an der Studie beteiligte Ärzteteam. Auch die Söhne des Phil Milto, der die ganze Studie initiiert und deren Entwicklung mit knapp vier Millionen Dollar gesammelter Spendengelder finanziert hat, stehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Teilnehmer fest. Vier schon schwer und sechs moderat betroffene Kinder sollen in dieser Phase I - Studie behandelt werden.  Schon allein weil die Entwicklung der Behandlung mehrere Jahre gedauert hat gibt es mehr Kandidaten für die schwer betroffene Gruppe. Wir hoffen also auf einen Platz in der moderat betroffenen Gruppe.

Von vornherein ist klar, dass wir uns in einen Wettlauf mit der Zeit begeben. Ob die Operation hilft, kann noch niemand mit Bestimmtheit sagen. Sicher ist nur, dass jeder Tag ohne Behandlung Clara ein weiteres Stück ihrer Fähigkeiten raubt.

Es treten erfreulicherweise keine großen epileptischen Anfälle mehr auf, aber  – teils vereinzelt, teils 30 bis 40 mal täglich - zuckt und sackt sie ganz kurz zusammen, als ob sie einen Stromschlag erhalten hätte. Wie die motorischen Fähigkeiten Claras ist auch dies stark abhängig von der jeweiligen Tagesform. Anfangs scheint sie darüber irritiert, dann nimmt sie es gelassen und ignoriert das Zucken weitgehend. Wegen der erheblichen Nebenwirkungen der meisten Antiepileptika entscheiden wir in Absprache mit dem Arzt bei der geringen Dosis von 3 x 5 mg Lamictal zu bleiben.

Ohnehin muss Clara nicht nur ständig beaufsichtigt, sondern beim freien Spielen auf dem Boden auch durchgängig gehalten werden, da tatsächlich sekündlich mit einem Sturz zu rechnen ist - sowohl durch die körperliche Instabilität insgesamt, als auch durch die an manchen Tagen ausgeprägte Hyperaktivität mit immer noch blitzschnellen, abrupten und überschießenden Bewegungen.

Anfang 2004 kann Clara noch Gegenstände in etwa 3 m Entfernung erkennen, Mitte 2004 ist es vielleicht noch ein Meter, Ende 2004 ist sie bei ca. 50 cm angekommen und das auch nur noch in bestimmten Außenbereichen des Blickfeldes.

Etwa seit Oktober 2004 kann sie ihre Flasche beim Trinken nicht mehr allein halten. Ein Greifen mit gezieltem Öffnen und Schließen der Hand wird immer seltener. Halten von Gegenständen gelingt nur mehr sekundenlang, das zum Mund führen von Nahrung allein überhaupt nicht mehr.

Sie benötigt tagsüber immer häufiger Ruhepausen. Dafür nimmt die Anzahl der Nächte, in denen sie mehrfach oder längere Zeit wach ist Ende 2004 merklich zu.

Insbesondere der rechte Arm und der rechte Fuß zeigen ab Sommer 2004 zunehmend Verkrampfungen, sie neigt zum Spitzfuß oder knickt beim Stehen im Fußgelenk kraftlos nach außen. Die Körperspannung im Rückenbereich verschlechtert sich teilweise massiv. Sie „hängt“ zwischenzeitlich nur noch im Hochstuhl oder im Kinderwagen.

Noch folgt auf jedes Tief wieder eine Phase, in der sie sich zumindest einen Teil der vorübergehend verlorenen motorischen Restfähigkeiten wieder zurückerobert, in der ihre Beine das Körpergewicht kurze Zeit tragen können, in der sie – fest gehalten – versucht, Schritte zu machen, in der sie wieder stabiler sitzen und gezielter greifen kann und in der die Hände und Füße kaum verkrampft sind.

Wir sind dankbar und glücklich über jeden dieser Tage -  wohl wissend, dass alles, was sie heute noch konnte, schon morgen unwiederbringlich verschwunden sein kann.

Im Juni 2004 wird das erste Kind in der New Yorker Gentransferstudie behandelt, drei weitere Kinder folgen bis Oktober. Doch nachdem beim vierten Kind Komplikationen durch epileptische Anfälle auftreten, liegt die ganze Studie zur Klärung der Ursache mehrere Monate auf Eis. Die Zeit läuft uns weg. Im März 2005 gibt die amerikanische Genehmigungsbehörde wieder „Grünes Licht“.

Nach erneuter Rücksprache mit Prof. Boustany erhöhen wir ab Oktober 2004 die Flupirtindosis. Seit Anfang November 2004 erhält Clara viermal täglich knapp 25 mg und ist wiederum einige Wochen relativ stabil. Dann schreitet der Abbau wieder kontinuierlich voran.

Ende Januar 2005 nach einem Krankenhausaufenthalt fällt sie vorübergehend erneut massiv ab - und wieder erst nach einer Chloralhydratgabe zur Sedierung. Nach teilweise ausgeprägter Hyperaktivität und Schlaflosigkeit in den ersten beiden Tagen kombiniert mit merkwürdigen zwanghaften und tic-artigen Bewegungen von Kopf und Gliedmaßen folgt eine fast lähmungsartige Schwäche, die dieses Mal auch die Mundmotorik und den Verdauungstrakt erfasst. Letzteres führt zeitweise zu ausgeprägten Koliken.

Die ersten Tage weigert sie sich zu saugen und zu kauen, schluckt aber zum Glück problemlos Brei und Wasser vom Löffel. Innerhalb von zwei Wochen erkämpft sie sich Schritt für Schritt die vor dem Krankenhausaufenthalt besessenen Fähigkeiten und Kräfte zurück. Wir stellen die Nahrung endgültig überwiegend auf Brei und grob pürierte Kost um. Clara dankt es mit einer deutlichen Gewichtszunahme.

Am Freitag, dem 04.02.05, um 21.00 Uhr klingelt das Telefon. Der schon nicht mehr erwartete Anruf aus New York mit der Anfrage, ob wir zur Auswahluntersuchung für die mittelschwer betroffene Gruppe der Gentransferstudie nach New York kommen wollen, ist da. Natürlich wollen wir, wenn auch mit sehr gemischten Gefühlen. Clara´s Zustand hat sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich verschlechtert. Sie steht nach unserer Einschätzung zumindest haarscharf an der Grenze zur fortgeschrittenen Gruppe, wenn nicht schon in dieser. Aber wir wollen es zumindest versuchen.

Am 16.3.05 beginnt Clara´s Untersuchung in New York – Röntgenaufnahme, Blutabnahmen, neurologische Untersuchung, EKG, MRT (Magnetresonanz-tomographie), etc... Clara findet die ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuneigung der Ärzte und Schwestern toll, ist bestens gelaunt und übersteht auch die Vollnarkose für das MRT völlig problemlos.

Danach brauchen wir zwei Wochen, bevor wir uns trauen anzufragen, ob sie eine Chance hat. Es heißt „Es sieht gut aus, aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.“

Am 15.4.05 erfolgt die endgültige Zusage – Clara wird als 5. Kind in der schwer! betroffenen Gruppe operiert werden!
Am 21.4.05 sind wir wieder in New York.
Am folgenden Tag beginnt ein 24-Stunden EEG.
Am 26.4.05 wird Clara operiert:

Früh morgens erfolgt ein ausführliches MRT. Anhand der Bilder entscheiden die Neurochirurgen, an welchen Stellen sechs kleine Löcher in die Schädeldecke gebohrt werden. Durch diese Öffnungen werden über eine haarfeine Kanüle die Viren mit dem Gen, das später das fehlende Enzym produzieren soll, in zwei verschiedenen Tiefen langsam in das Gehirn injiziert.

Clara kann die darauffolgende Nacht ohne Narkose bleiben. Das Kontroll-MRT am 27.4.05 unter erneuter Vollnarkose ist in Ordnung. Noch am gleichen Tag erfolgt die Verlegung von der Intensiv- auf die normale Station. Sieben Tage später wird sie wie geplant aus dem Krankenhaus entlassen. Eine Woche später erfolgt stationär ein weiteres 24-Stunden EEG. Wie das 24-Stunden EEG direkt nach der OP zeigt es keine Veränderungen zu dem vor der Operation. Anschließend fliegen wir zurück nach Berlin.

Drei Wochen nach der Operation ist Clara in allen wesentlichen Bereichen wieder auf dem Stand vor der Operation.  Vier Wochen nach der OP erfolgt eine weitere Kontrolluntersuchung in New York. Alles ist o.k..

Und seitdem?

Nimmt man die vorangegangenen Tierversuche zum Vergleich, müsste das Enzym TPP I etwa 6 bis 8 Wochen nach der OP produziert und ab dann im Gehirn verbreitet werden. Ob das im menschlichen Gehirn genauso ist, ob sich die Viren weit genug verteilt haben, ob sie Genteile in ausreichend viele Gehirnzellen eingeschleust haben, ob die produzierte Enzymmenge genügt, um den weiteren Zelltod im gesamten Gehirn aufzuhalten – all das wird sich erst in den folgenden Monaten zeigen.  Die Kontroll-MRT´s bei den bisher behandelten Kindern sechs Monate nach der OP sind viel versprechend – keine Veränderung bedeutet, kein weiterer Zellverlust!

Jetzt – 12 Wochen nach der Operation sind bei Clara keine signifikanten Veränderungen zu dem Zustand vor der Operation festzustellen.

Wir können weiter hoffen…

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Mai 2007

Drei weitere Male sind wir in New York gewesen.  6 Monate, 12 Monate und zuletzt zur Abschlussuntersuchung im Oktober 2006 18 Monate nach der Operation.

Nein – das erhoffte Wunder ist nicht eingetreten. Die Krankheit wurde nicht völlig aufgehalten, aber es scheint dennoch, dass der Weg der richtige war. Der Abbau der Fähigkeiten hat sich offensichtlich verlangsamt und es geht Clara heute – bedenkt man das Alter von nun 6 Jahren und 7 Monaten – vergleichsweise gut. Sie kommt ohne Nahrungssonde aus, ist meistens gut ansprechbar, kann an guten Tagen noch einige Sekunden ihren Kopf halten und hebt dann auch die Arme selber, wenn sie sich für etwas interessiert.

Sehr lästig sind die starken Myoklonien, also Muskelzuckungen, die sie in den vergangenen zwei Jahren bekommen hat und die mit Medikamenten nicht in den Griff zu kriegen sind, zumindest nicht in einer Dosis, in der Clara ansprechbar bleibt und nicht nur vor sich hindämmert.  Aber da sie selber die Myoklonien toleriert und trotzdem gut gelaunt bleibt, haben wir doch viel lieber ein munteres, ansprechbares Kind – wenn auch mit vielen Zuckungen.

Und nun? Als wir zur Abschlussuntersuchung flogen, hatten wir das Thema „Heilung“ abgeschlossen, waren wir der Meinung, alles was wir für Clara tun konnten, getan zu haben. Eine Teilnahme an der Stammzellenstudie in Oregon/USA kommt für Clara wegen ihres Alters, der Teilnahme an der anderen Studie und der Tatsache, dass wir keine Bürger der USA oder Kanadas sind, nicht in Betracht, genauso wenig eine Teilnahme an der jetzt geplanten Gentransferstudie mit einem neuen, verbesserten Virus. Aber bei der Abschlussuntersuchung erfuhren wir zum ersten Mal, dass Kinder mit Clara´s Krankheit in China mit Stammzellen behandelt wurden…

Seitdem sammeln wir erneut alle greifbaren Informationen und stehen im Kontakt zu mehreren Eltern, deren Kinder mit Stammzellen behandelt wurden. Die Ergebnisse sind leider nicht so eindeutig, wie man sich das wünschen würde und offenbar auch abhängig von der Art der Stammzellen. Teilweise haben sich Verbesserungen beim Schlucken, der Epilepsie, der Spastik und der Verschleimung gezeigt. Eine Entscheidung ist schwer – wir wissen schließlich nur zu gut, welche Belastung ein Flug um die halbe Welt und eine erneute Gehirnoperation bedeuten.

Bis Anfang Juni 2007 lässt Claras Kopfkontrolle weiter nach und sie ist vor allem nach dem Essen zunehmend verschleimt, wobei das Abhusten schwerer wird. Die Mundmotorik hat sich mittlerweile soweit verschlechtert, dass auch das Verschlucken beim Essen zunimmt. Ebenso wird das Pressen beim Stuhlgang immer mühsamer, die Spastik nimmt zwar langsam, aber mittlerweile doch merkbar auch im Armbereich zu. Schlaflose Phasen mit Unruhezuständen häufen sich.& Es wird uns klar, dass eine Zusatzernährung über eine Sonde und das Absaugen der Bronchien nur noch eine Frage von Wochen, höchstens von ein paar Monaten sein kann.

Am 08.06.07 frage ich bei dem Arzt in Peking an, der bisher 8 Kinder mit NCL aus der ganzen Welt mit Stammzellen behandelt hat, ob eventuell auch eine Behandlung Clara´s in Betracht kommt. Drei Tage später erhalten wir per Email eine Zusage.

Zwei Monate später sitzen wir mit immer noch zwiespältigen Gefühlen im Flieger. Am 17.08.07 erhält unsere Tochter im Militärkrankenhaus in Peking durch zwei kleine Öffnungen im Schädel jeweils 5 Millionen embryonale Stammzellen. Die Narkose und den Eingriff übersteht sie problemlos. Dieser wird mit Hilfe einer Art Roboter durchgeführt, es sind im Gegensatz zur Gentherapie nur minimale Öffnungen im Schädel nötig, die Narben von ca. 0.5 cm Länge sind zwei Wochen später kaum noch zu sehen. Aber sie bekommt danach vier Tage lang Antibiotikagaben und Immunsuppressiva, die ihr zunehmend auf den Magen schlagen. Nach dem Absetzen der Medikamente - alle Blutwerte sind im grünen Bereich - geht es wieder besser. Schwierig ist wie befürchtet auch die Kontrolle ihrer Epilepsie wegen der sehr niedrigen Antiepileptikagaben. Mit Zunahme der Magenprobleme scheint auch die Anfallbereitschaft stark zu steigen. Drei Tage nach der Operation hat sie drei Anfälle, am vierten noch einmal zwei.

Am 23.08.07 erfolgt der Rückflug nach Deutschland. Abgesehen davon, dass erst die zuständige Lufthansabesatzung intervenieren muss, damit man uns einchecken lässt, klappt alles reibungslos. Auf die Idee eine "Flugtauglichkeitsbescheinigung" vom Arzt zu besorgen, sind wir natürlich nicht gekommen.

Nun heißt es erneut warten - laut Arzt sind Veränderungen durch die Stammzellen im Bereich zwischen etwa einem Monat bis zu sechs Monaten nach der Transplantation zu erwarten. Natürlich ist von Heilung nicht mehr zu reden. Clara´s Gehirn zeigt auf den MRT-Bildern (Magnetresonanztomographie) eine stark ausgeprägte Atrophie (Gewebeschwund) und die in Peking gemachten PET-Bilder (Positronen-Emissions-Tomographie), die Aufschluss über den Stoffwechsel des Gehirn geben, sind in keiner Weise ermutigend.  Wir hoffen jedoch auf Stabilisierung oder kleine Verbesserungen im Bereich der Mundmotorik, der Spastik und der Verschleimung, die Clara´s Lebensqualität wieder erhöhen.

Genau eine Woche nach unserer Rückkehr, am 29.08.07, greift die Schulpflicht und für Clara findet die offizielle Einschulungsfeier auf der Blindenschule statt. Wir wünschen uns, dass sie sich auch in dieser fremden Umgebung wieder einlebt und sich wohl fühlt. Soziale Kontakte zu gleichaltrigen Kindern sind sonst kaum noch zu gewährleisten und Clara ist nach wie vor sehr gerne mit anderen Kindern zusammen.

Den ganzen September 2007 ist Clara so ausgeglichen und gut gelaunt wie lange nicht mehr, aber sonstige Veränderungen lassen sich so recht nicht feststellen.

Irgendwann Ende Oktober 2007/Anfang November 2007 fragen wir uns plötzlich, wann Clara sich eigentlich das letzte Mal verschluckt hat beim Essen und seit wann ihre Bronchien nicht mehr röcheln. Ganz langsam und unauffällig ist eine Besserung eingetreten.

Bis heute isst sie immer noch ihre sechs Brei- und Trinkmahlzeiten pro Tag und ein Absaugen der Bronchien ist kein Thema mehr.

Es hat weitere Veränderungen gegeben, positive und negative:

Positiv ist, dass sie nicht mehr ständig eiskalte, schwitzige Füße hat und Merkwürdigkeiten wie ein häufig kalter linker Arm, bei warmem rechtem Arm haben sich gegeben.
Auch die heftigen Myokonien, besonders nach dem Aufwachen, sind im Laufe der Monate verschwunden, obwohl immer noch Muskelzuckungen auftreten.
Und der ausgeprägte „Linksdrall“ des Kopfes ist deutlich schwächer.

Negativ ist, dass es offensichtlich keinerlei positive Wirkung im Bereich der Willkürmotorik gegeben hat. Und die Spastik in den Beinen hat sich seit Februar 2008 merklich verschlechtert.

Im Mai 2008 lassen wir in Leipzig ein Kontroll-MRI und -PET machen. Quintessenz: Es hat eine ganz leichte Verschlechterung gegeben, mit Ausnahme eines Bereiches, der "möglicherweise" durch die Stammzellengabe stabil geblieben ist.
Das ist nicht überwältigend, aber was sind schon 10 Millionen Stammzellen im Vergleich zu geschätzten 100 Milliarden defekten Gehirnzellen…

Der nächste Flug nach Peking ist für den 17.10.08 gebucht – vielleicht werden die Stammzellen dieses Mal im Bereich der Spastik ein gutes Werk tun.

Am 17.10.08, um 13.30 Uhr beginnt die zweite Reise nach Peking, gut 19 Stunden später treffen wir recht erschöpft im Pekinger Krankenhaus ein. Claras 8. Geburtstag feiern wir mit einer Kerze, lieben Geburtstagskarten und einem Foto unserer restlichen Familienmitglieder im ganz kleinen Kreise…

Der Rest des Wochenendes dient der Erholung. Ab Montag laufen die üblichen Untersuchungen und am Donnerstag, dem 23.10.08, wird Clara erneut operiert, wiederum werden zwei Mal 5 Millionen Stammzellen in das Gehirn (Mittelhirn) injiziert. Direkt vor ihr erhält zum ersten Mal ein an der juvenilen NCL erkranktes Kind, ein Junge aus Dakar, Stammzellen. Auch dessen Eltern haben für Ihren einzigen Sohn schon eine Odyssee um die ganze Welt nach Amerika, Deutschland und nun China hinter sich.
Drei Stunden nachdem wir Clara in den OP-Raum verabschiedet haben, ist der Tubus bereits aus dem Mund entfernt, Clara wieder wach und nach dem Kontroll-CT kann sie direkt mit in unser Zimmer im Krankenhaus. In den nächsten Stunden hat sie einige kleinere Anfälle, aber 5 Tropfen Diazepam stoppen sie sofort. Die üblichen Magenprobleme mit dem Antibiotikum bleiben uns nicht erspart, auch nicht eine leichte Temperaturerhöhung in den folgenden Tagen, aber alles in allem übersteht sie das Ganze gut.

Nur der Rückflug am 29.10.08 wird dieses Mal zum Albtraum. Das Einchecken klappt Dank eines Schreibens von Dr. Tian´s Mitarbeiter, Dr. Yin, dieses Mal hervorragend – aber nach dem ersten Blick auf die voraussichtliche Ankunftszeit in Kopenhagen im Flieger ist klar, dass es sehr knapp wird. Es kommt, wie es nicht kommen durfte, das Flugzeug hat fast eine Stunde Verspätung und der Anschlussflug ist weg. Der nächste Flug geht erst am darauf folgenden Morgen. Am Bemühen der Flughafenmitarbeiter ist nichts auszusetzen. Die Kompetenz hält nicht bei allen Schritt und es dauert gut 2,5 Stunden bis wir – ohne Rollstuhl und Gepäck – in einem Hotelzimmer landen. Clara, die die ganze Zeit auf unseren Armen verbringen muss, ist völlig fertig und total verspannt. Immerhin wissen wir nun, wofür wir regelmäßig zum Krafttraining gehen.

Dabei hatten wir vor dem Flug noch gehofft, Clara´s starke Spastik in den Beinen wenigstens für die Reise mit einer Botox-Behandlung vorübergehend zu lindern und danach eine intensivere Krankengymnastik möglich zu machen, aber – angeblich mangels Muskelmasse – wurde diese zunächst vom hiesigen Krankenhaus verweigert.

Vor lauter Verzweiflung versuchen wir es mit Baclofen. Man mag es gar nicht mehr sagen, aber außer Nebenwirkungen – starke Müdigkeit tagsüber, Schlaflosigkeit nachts, Übelkeit, zeitweiligem Erbrechen, verstärkten Muskelzuckungen und erhöhter epileptischer Tätigkeit gibt es keinerlei positive Wirkungen auf die einschießenden Muskelkrämpfe.
Zudem lässt sich bisher überhaupt nicht sagen, ob die Stammzellen irgendeine Wirkung haben, weil Clara weit entfernt von ihrem „Normalzustand“ ist. (Abgesehen davon, dass ihre Willenskraft offensichtlich deutlich gestiegen ist. Konnte man ihr vorher so ziemlich alles zum Essen geben, äußert sie derzeit ganz deutlich ihr Missfallen, wenn es ihr nicht schmeckt.) Nun setzen wir das Medikament also wieder langsam ab und hoffen, irgendwann doch Positives zu sehen.

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Januar 2009: Seit Monaten stagniert Claras Gewicht bei knapp 20 Kilo. Also auf zur Ernährungsberaterin. Danach erhöhen wir den Eiweißanteil und die Kalorien auf knapp 2100 kcal/Tag. Eigentlich wider Erwarten isst sie auch die größeren Mengen und nimmt in den folgenden Wochen tatsächlich fast drei Kilo zu.
Im Januar geht es mit Clara auch in die Zahnklinik. Dort werden wir in den folgenden Monaten regelmäßig vorbeischauen, da ein Milchzahn nach dem anderen wackelt und die bleibenden Zähne nur so sprießen. Ende 2009 ist auch der letzte Milchzahn verschwunden. Die ersten Anzeichen der sehr früh einsetzenden Pubertät lassen sich auch nicht mehr übersehen.

Im Juni 2009 stirbt völlig überraschend Claras Klassenkamerad, 10 Monate jünger als sie, und ebenfalls an spätinfantiler NCL erkrankt.
Der Internationale NCL-Kongress in Hamburg trägt auch nicht dazu bei, unsere tiefschwarze depressive Stimmung zu verbessern. Klar – es gibt hochinteressante Vorträge, mittlerweile erstaunlich viel Forschung auf dem Gebiet NCL, auf allen vier Therapiegebieten Fortschritte – eine 2. Stammzellenstudie wird geplant, die 2. Gentherapiestudie mit verbessertem Virus könnte sofort beginnen - wenn nur das Geld da wäre, endlich wird auch intensiver auf dem Gebiet der Enzymersatztherapie gearbeitet. Schade nur, dass wie üblich erst Jahre mit den vorgeschriebenen vorgeschalteten Tierversuchen vergehen werden. Und was die ursächliche medikamentöse Behandlung betrifft, sind immerhin die Möglichkeiten für entsprechende Testdurchläufe geschaffen. Aber selbst wenn sich etwas findet, muss auch das erst wieder in Tierversuchen getestet werden.
Alles in allem: Kein heute bereits mit NCL2 diagnostiziertes Kind kann so lange warten.

Etwa Mitte 2009 fällt auf, dass Clara immer schlechter Luft bekommt. Es sieht so aus, als würde der Unterkiefer durch die erschlaffte Muskulatur zurückfallen und die Atemwege teilweise verlegen. Auch die Verschleimung der Bronchien nimmt offensichtlich wieder zu. Es dauert drei Monate, bis wir uns zu einem Arzt vorgearbeitet haben, der gegebenenfalls Hilfe in Form einer Schnarchschiene oder ähnlichem bieten könnte. Er empfiehlt zunächst einen Termin im Schlaflabor. Erst mal eines finden, das auch Kinder nimmt und dann ist der nächste freie Termin der 28.12.09!

Nach wochenlangem Vorlauf sind wir Anfang Oktober noch im Universitätsklinikum Hamburg, u.a. für ein Kontroll-MRT. Die binnen einer Woche zugesagte Auswertung lässt nun seit über 10 Wochen auf sich warten.

Und dann gibt es ja noch das Thema Schweinegrippe. Wenn jemand zur anerkannten Risikogruppe gehört, dann Clara – nur schade, dass bis Mitte November keiner Kinder impft.

Am Freitag, dem 6.11.09, kommt Clara völlig durchgeschwitzt aus der Schule und ist das ganze Wochenende schon schlapp. Montag ist sie wie üblich nicht in der Schule. Mittags ruft ihre Lehrerin an, in der Nachbarklasse sei ein Kind mit über 40 Fieber nach Hause geschickt worden, dessen Mutter gesichert Schweinegrippe habe. Die Betreuer hätten sowohl zu diesem Kind als auch zu Clara Kontakt gehabt.
Abends hat Clara knapp 39 Grad Fieber. Am Dienstag steigt das Thermometer auf über 40 Grad und Clara zeigt alle Symptome einer Grippe – schmerzempfindlich und weinerlich beim Umlagern, anfänglich Schluckbeschwerden, teils Husten und Schüttelfrost. Ab Mittwoch erhält sie Tamiflu. Weil das Fieber davon unbeeindruckt immer wieder über 40 Grad steigt, kommt am 13.11. ein Antibiotikum hinzu, worauf sich ihr Zustand keineswegs verbessert, sondern verschlechtert.

Also suchen wir am Samstag, dem 14.11., das Krankenhaus auf und werden stationär mit dringendem Verdacht auf Lungenentzündung aufgenommen. Unter intravenöser Antibiotikagabe und Sauerstoff scheint Clara sich zunächst zu stabilisieren.
In der Nacht von Sonntag auf Montag geht es ihr zunehmend schlechter, sie ist extrem verschleimt, die Sauerstoffsättigung des Blutes fällt unter 80 Prozent. Unmittelbar vor der Verlegung auf die Intensivstation versagen Lunge und Kreislauf völlig. Mit Müh und Not gelingt es den vereinten Bemühungen mehrerer Ärzte Clara zu reanimieren.

Diagnose: beidseitige Lungenentzündung, Rippenfellentzündung, Pleuraerguss und Lungenriss links mit immer wieder in den Brustkorb nachsickernder Luft. Zwölf Tage wird Clara im künstlichen Koma gehalten und beatmet. Und dann müssen wir als Eltern entscheiden, was nach dem Entfernen des Tubus geschieht, wenn sie nicht selbstständig weiteratmet! Nur soviel – wir entscheiden uns letztendlich gegen die Möglichkeit einer dauerhaften Beatmung.

Clara will ganz offensichtlich noch bei uns bleiben und uns unseren größten und einzigen Weihnachtswunsch erfüllen - und atmet auch ohne maschinelle Unterstützung weiter.

Aber die Lungenentzündung ist noch lange nicht überstanden. Für eine erforderliche Bronchoskopie mit Lungenspülung muss sie erneut in Vollnarkose gelegt werden. Wir entscheiden uns, eine Nahrungssonde durch die Bauchdecke mitlegen zu lassen. Essen und Trinken per Mund haben sich nach der langen Intubation erledigt, selbst über das gelegentliche Schlucken von Speichel freuen wir uns schon sehr.
Nach der Narkose dauert es wieder ewig, bis sie die Nahrung einigermaßen verdaut und auf eine halbwegs ausreichende Kalorienzahl kommt. Auch das trotz einer guten Handvoll verschiedener Antibiotika immer wieder über 38 Grad ansteigende Fieber macht uns nervös. Und dann müssen noch die ganzen Medikamente, die zum Ruhigstellen gegeben wurden, wieder langsam ausgeschlichen werden, mit den entsprechenden Entzugserscheinungen.

Am 16.12.09 wird Clara schließlich aus dem Krankenhaus entlassen. Am Tage vorher sieht ihr Zimmer aus wie ein Warenlager – Sauerstoffkonzentrator für die zeitweilige Unterstützung mit Sauerstoff, CPAP-Gerät zum Training der Atmung, Absauggerät, Pulsoximeter, Pumpe für die Sondennahrung, diverse Schläuche, lange Bedienungsanleitungen und diverse sonstige Zubehörteile. Aber nach fast fünf Wochen Intensivstation haben wir ja einiges an theoretischer und praktischer Erfahrung bei der Bedienung und Handhabung der Geräte ansammeln können...

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05.01.11
Seit dem letzten Nachtrag sind fast 13 Monate vergangen. Tatsächlich haben wir uns immer nur eine Stunde nach der anderen, einen Tag nach dem anderen vorgenommen und uns an den vielen größeren und kleineren Fixpunkten des vergangenen Jahres entlanggehangelt - Konfirmation der Zwillinge im April, Silberne Hochzeit im Mai, 50. Geburtstag im Juli, Claras 10. Geburtstag im Oktober, 1. Jahrestag der Reanimation im November, Nikolaus, Weihnachten, Silvester 2010…

Lange Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist Clara noch unendlich schwach. Sie braucht anfangs nicht nur Atemtherapie sondern auch Lymphdrainage, die Hände und Finger sind stark angeschwollen. Der Entzug des Midazolams aus dem Krankenhaus zieht sich bis Mitte Januar hin. Nach jeder Dosisreduzierung hat Clara erneut massive, über Tage andauernde Muskelzuckungen bis zur völligen Erschöpfung. Nach dem vollständigen Absetzen hat Clara vier Wochen keine Myoklonien - Hoffnung keimt auf - dann geht´s ohne erkennbaren äußeren Anlass wieder los mit stetigem Wechsel von starken Zuckungen und Erschöpfungsphasen.

Aber sie kämpft und ganz, ganz langsam wird sie wieder stärker, das Wasser aus den Händen verschwindet und sie braucht seltener Sauerstoff. Und nach und nach stellt sich im Familienleben wieder so etwas wie ein "Normalzustand" ein.

Ab Ende April/Anfang Mai 2010 kommt eine Lehrerin jeden Vormittag für zwei Stunden ins Haus. In die Blindenschule geht Clara nicht mehr. Der Transport ist ihr nicht mehr zuzumuten. Die neuen Orthesen für die Füße sind auch endlich fertig – vor allem der linke Fuß ist mittlerweile so verbogen, dass sich am Außenknöchel durch den ständigen Druck und die Reibung eine offene Stelle gebildet hat, die nun endlich wieder entlastet wird und abheilen kann.

Auf Rat der Ärztin versuchen wir es Mitte des Jahres mit Morphin gegen die Muskelzuckungen. Es funktioniert überhaupt nicht, schon bei Minimaldosis setzt der Hustenreflex völlig aus, von Tag zu Tag nimmt die Verschleimung der Lunge zu. Also sofort wieder raus damit.

Dafür ist der Versuch mit den Botoxspritzen gegen die Spastik Ende August 2010 in die Oberschenkelmuskulatur eindeutig ein Erfolg. Nach fünfminütiger, völlig problemloser Prozedur und einer Woche Wartezeit kann man endlich die Knie wieder anfassen oder Clara im Rehabuggy schieben, ohne dass sich bei der kleinsten Erschütterung die Beine schmerzhaft verkrampfen und verspannen. Das Wickeln wird wieder einfacher und sie kann sich tatsächlich auch beim früher so geliebten Baden wieder entspannen. Wenn man bedenkt, dass unsere erste Anfrage wegen Botox zwei Jahre zurückliegt, kommt man schon ins Grübeln, wo das Problem gesehen wurde…. Ende Dezember 2010 wird die Prozedur genauso problemlos wiederholt.

Anfang Oktober 2010 hat Clara erstmalig wieder einen fieberhaften Infekt, der vorsorglich gleich mit Antibiotika behandelt wird und den sie recht gut übersteht. Dafür hat sie in den folgenden Wochen mehrfach Schreiattacken, offenbar tut ihr irgendetwas sehr weh. Da Natron hilft, scheint es Sodbrennen zu sein und sie bekommt ein säurehemmendes Mittel verschrieben.

Sorgen macht uns derzeit vor allem, dass Clara offenbar in den letzten Wochen eine Abhängigkeit vom Sauerstoff entwickelt hat. Einerseits ist sie bei dauerhafter Sauerstoffgabe – selbst wenn das Gerät so niedrig eingestellt ist, dass es weniger als ¼ Liter Sauerstoff liefert und eigentlich nur beruhigend brummt - deutlich ruhiger, hat kaum noch Muskelzuckungen und die Sättigungswerte liegen deutlich über 90 %. Andererseits sorgt permanente Sauerstoffgabe wohl für eine Schwächung der Eigenatmung und das wollen wir natürlich auch nicht. Wir sitzen also mal wieder zwischen Baum und Borke und müssen selber die beste Wahl für unser Kind treffen.

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21.03.11

Es weiß ja keiner, der's nicht erlebt
wie's ist, wenn einer die Flügel hebt
und leise, leise sich auf die Reise - die letzte macht.
Es weiß ja keiner, dem's nicht geschah
wie's ist, wenn einer nun nicht mehr da.
Wenn leer die Stätte dessen, den man
hätte so gern noch nah.

Gestern Nachmittag, am 20. März 2011 ist Clara friedlich und im Kreise ihrer Familie eingeschlafen. Wir sind dankbar, dass wir sie in ihrem Leben begleiten konnten und in der letzten Stunde alle bei ihr waren.

Sie ist nun frei
und unsere Tränen
wünschen ihr Glück.
Joh. Wolfgang v. Goethe